Privatisierung ist ein Auslaufmodell: Die Zukunft heißt öffentliches Eigentum!
Was hat der Mangel an Krankenschwestern mit dem Anstieg unserer Stromrechnungen gemeinsam? Genau hier sind die perversen Effekte der Privatisierung zu sehen. In den letzten Jahrzehnten haben unsere Regierungen öffentliche Unternehmen an die private Wirtschaft verkauft - mit katastrophalen Folgen. Überall auf der Welt engagiert sich die Bevölkerung, um diese Unternehmen wieder zurückzugewinnen. Mit Aussicht auf Erfolg.
Der Gesundheitssektor leidet seit Jahren unter einem eklatanten Mangel an Investitionen. Durch die immer härteren Arbeitsbedingungen suchen sich qualifizierte Mitarbeiter lieber woanders Arbeit: die durchschnittliche Berufslaufbahn einer Intensivpflegerin zum Beispiel beträgt nur sieben Jahre.
Außerdem ist der Strompreis in Belgien zwischen 2007 (als der Strommarkt liberalisiert wurde) und 2019 um 66 % gestiegen. Ein Allzeit-Rekord. In dieser Krisenzeit sind zunehmend Menschen nicht mehr in der Lage, ihre Energierechnungen zu bezahlen.
Ein Zufall? Weit gefehlt: in diesen Sektoren, wie auch in anderen, leiden die Bürger unter den verhängnisvollen Folgen der Privatisierung. Privatisierung bedeutet aber auch Widerstand: die Menschen lassen sich nämlich nicht ausnutzen und kämpfen erfolgreich für die öffentliche Hand.
Eine Rückkehr zum öffentlichen Sektor auf der ganzen Welt
Überall auf der Welt erleben wir "Renationalisierungen" und "Rekommunalisierungen": Unternehmen oder Sektoren, die privatisiert wurden (d.h. von den Regierungen an den privaten Sektor verkauft wurden), werden wieder unter öffentliche Verwaltung gestellt. Entweder auf nationaler Ebene (" Renationalisierung") oder auf lokaler Ebene ("Rekommunalisierung").
Dank der Mobilisierung der Bevölkerung entstehen auch neue öffentliche Dienstleistungen. Laut dem Think Tank Transnational Institute (TNI) gab es in den letzten Jahren mehr als 1.400 erfolgreiche (Re-)Kommunalisierungen. Sie haben in mehr als 2.400 Städten in 58 Ländern stattgefunden.
Jedes Mal sind diese Initiativen der Bevölkerung zugute gekommen. Geringere Kosten, verbesserte Dienstleistungen, bessere Arbeitsbedingungen... Wenn ein Unternehmen oder ein Sektor wieder in die öffentliche Hand übergeht, hat es positive und unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen.
Bessere Arbeitsbedingungen, bessere Dienstleistungen
Es überrascht nicht, dass die TNI-Studie zeigt, dass sich in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die Arbeitsbedingungen nach der Rekommunalisierung verbessert haben. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass es mehr Absprachen mit den Gewerkschaften gibt. Die Beschäftigten werden besser bezahlt und sind besser geschützt, als wenn sie für private Unternehmen arbeiten.
Eher überraschend ist, dass der Bericht zeigt, wie Rekommunalisierung auch die Demokratie unterstützt. In Sacramento, Kalifornien, zum Beispiel wird der Vorstand des staatlichen Stromversorgers direkt von den Einwohnern der Stadt gewählt. Jeder Bezirk wählt alle vier Jahre ein Mitglied. Die Kandidaten senden eine Kurzbiographie und drei Prioritäten. Die Benutzer erhalten einen Stimmzettel nach Hause oder wählen über das Internet. Alle Sitzungsdokumente sind zugänglich, und die Sitzungen werden online übertragen.
Ein weiterer Vorteil der Rekommunalisierung sind geringere Kosten für Dienstleistungen, aber auch deren Verbesserung. In der Gemeinde Kragerø, Norwegen, hat die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft zu einer Senkung der Gebühren für die Einwohner um 14% geführt.
Das Beispiel des öffentlichen Internetzugangs in den Vereinigten Staaten
In den Vereinigten Staaten haben einige lokale Behörden beschlossen, die Verteilung des Internetzugangs selbst zu übernehmen. Die drei privaten Unternehmen, die den amerikanischen Markt beherrschen, wollen unbedingt Gewinn machen. Dadurch ziehen sie sich zunehmend aus den ärmeren und ländlichen Gebieten zurück. AT&T, der größte Anbieter von DSL (Internet über die Telefonleitung) in den Vereinigten Staaten, hat zum Beispiel den reichsten Regionen Priorität für die Modernisierung des Netzes eingeräumt. Einkommensschwache Bevölkerungsgruppen hingegen müssen mit veralteten Technologien auskommen.
In den von den privaten Unternehmen verlassenen Gebieten haben die lokalen Regierungen beschlossen, den Internetzugang in die eigene Hand zu nehmen, damit alle davon profitieren können.
100% öffentliches Internet zum gleichen Preis wie bei uns.. Aber zehnmal schneller.
In Lafayette, Louisiana, begann 2009 das staatliche Unternehmen LUS Fiber damit, die 130.000 Einwohner mit Internet zu versorgen. Das Unternehmen bietet eine sehr breite Palette von Diensten wie HD-Fernsehen, Video-on-Demand und High-Speed-Internet für Privatpersonen und Unternehmen mit bis zu 1.000 Megabit pro Sekunde an. Dienstleistungen, die denen von großen kommerziellen Unternehmen entsprechen.
In der Stadt Chattanooga, Tennessee, ist die staatliche EPB die erste in den Vereinigten Staaten, die Internetgeschwindigkeiten von 1.000 Megabit pro Sekunde für mehr als 175.000 Haushalte und Unternehmen angeboten hat. LUS Fiber und EPB bieten somit qualitativ hochwertige Dienstleistungen zu niedrigeren Preisen an, als die der drei großen US-Telekommunikationsunternehmen. Im Vergleich dazu bietet EPB eine Geschwindigkeit von 1.000 Megabit pro Sekunde für 57,56 Euro pro Monat.
In Belgien bietet Proximus für 60 Euro pro Monat eine maximale Geschwindigkeit von nur 100 Megabit pro Sekunde. Gleicher Preis, aber ein zehnmal weniger leistungsfähiger Service. Pikanterweise wurde seitens der belgischen Regierung beschlossen, Belgacom (der frühere Name von Proximus) zu privatisieren und die Hälfte des Kapitals des öffentlichen Unternehmens zu verkaufen, "um die Qualität des Dienstes zu verbessern“…
Hinter den Rekommunalisierungen stehen Mobilisierungen
Diese Fortschritte sind nicht von ungefähr gekommen. Es war die Mobilisierung der Bevölkerung, die sie möglich machte. Ein bezeichnendes Beispiel ist der Wasserkrieg in Bolivien. Zwischen Januar und April 2000 (vor der Wahl des linksgerichteten Präsidenten Evo Morales) fanden in Cochabamba, der viertgrößten Stadt Boliviens, eine Reihe von sozialen Aktionen statt. Die städtische Wasserwirtschaft war an den amerikanischen Multi Bechtel verkauft worden, wodurch sich der Wasserpreis verdoppelte. (auf dem Foto eine Demonstration während dieses Krieges für Wasser)
Verbände, Gewerkschaften und Arbeiter organisierten Großdemonstrationen. Eine soziale Revolte, die nach jahrelanger Untätigkeit der Regierung erst in den Kinderschuhen steckte. Trotz gewaltsamer Unterdrückung gelang es der sozialen Bewegung, die bolivianische Regierung in die Knie zu zwingen. Alle Forderungen wurden akzeptiert. Der Vertrag mit der amerikanischen Firma Bechtel wurde gekündigt, die Wasserwirtschaft kehrte in die öffentliche Hand zurück. Dieser Kampf ist zu einem weltweiten Symbol des Widerstands gegen die Aneignung öffentlicher Dienstleistungen durch multinationale Konzerne und deren Profitgier geworden.
Im Jahr 2016 beschloss der Stadtrat von Valladolid, Spanien, auf Druck der Bürger ebenfalls die Rekommunalisierung des Wassers. Das private Management hatte den Wasserpreis so stark erhöht, dass er für arme Haushalte unerschwinglich geworden war. Doch Wasser ist ein menschliches Grundrecht.
Die Zukunft heißt öffentliches Eigentum
Es lohnt sich, zu kämpfen. Ohne die Mobilisierung der bolivianischen Bürger für die Rückkehr des Wassers in den öffentlichen Schoß wäre vielen Menschen dieses Grundrecht noch immer vorenthalten. Ohne die Mobilisierung der amerikanischen Bürger hätten viele Familien in den Vereinigten Staaten keinen Zugang zum Internet (oder zu einem sehr schlecht funktionierenden Internet). Ein Irrtum, besonders inmitten einer Pandemie, wenn es lebenswichtig ist, über soziale Netzwerke mit den Angehörigen in Kontakt zu bleiben. Und das alles wegen der Profitgier von Privatunternehmen.
Die Studie von TNI zeigt, wie vorteilhaft es ist, den öffentlichen Sektor zu erhalten. Public Management vereinfacht und vereint Strukturen und Mitarbeiter um ein einziges Ziel: die Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung.