Die Rolle der Jugend
Charlie Le Paige beim Jugendforum der Internationale Konferenz für das Gleichgewicht der Welt, Havanna, 25. Januar 2023
Vielen Dank für die Einladung zu diesem Forum und diese einzigartige Möglichkeit zum Austausch.
Die Rolle der Jugend – ein wichtiges und aktuelles Thema, das auch bei unserem letzten Kongress im Zentrum der Diskussionen stand. Dazu möchte ich euch einige Überlegungen mitteilen.
1. Die Rolle der Jugend – ohne Jugend kein sozialer Wandel
Die Jugend spielt in fast allen großen Massenbewegungen eine wichtige Rolle, sei es in den Revolutionen des 20. Jahrhunderts, im antifaschistischen Widerstand, im Kampf gegen den Kolonialismus oder im Mai 1968 in Frankreich … Das galt für das gesamte letzte Jahrhundert und gilt auch heute noch für Bewegungen wie den Arabischen Frühling, die internationalen Klimaproteste oder Black Lives Matter.
Ohne Jugend gibt es keinen sozialen Wandel. Die Arbeiter*innenklasse ist – aufgrund ihrer Stellung im Produktionsprozess, ihrer Organisation und ihrer kämpferischen Traditionen – die einzige Klasse, die einen echten gesellschaftlichen Wandel anführen und durchsetzen kann. Doch die Jugend hat als soziale Gruppe das Potenzial, diese Kämpfe auszulösen und zu verstärken. Die Initiative und Kreativität der Jugend sind mächtige Waffen. In diesem Sinne können wir sagen, dass diejenigen, die im Kampf für die Jugend kapitulieren, auch im Kampf für den gesellschaftlichen Wandel kapitulieren.
2. Die Jugend heute – vier Merkmale
Die Jugend ist keine homogene Gruppe. Wie die gesamte Gesellschaft ist sie von großen Klassenunterschieden durchzogen.
Zugleich ist die Jugend aber auch eine besondere gesellschaftliche Gruppe, die durch ihr Alter definiert wird und sich schnell verändert und weiterentwickelt. Jede Generation hat ihre eigenen Codes, Gewohnheiten, Sprachen, Interaktionsweisen und kulturellen Referenzen.
Die heutige junge Generation hat vier grundlegende Eigenschaften:
1. Sie ist mit voller Wucht mit der Krise des kapitalistischen Systems und ihren verschiedenen Facetten auf wirtschaftlicher, klimatischer und militärischer Ebene konfrontiert.
Auf wirtschaftlicher Ebene treibt die Krise die Ausbeutung voran. Die Jugend bildet die erste Reihe des Arbeitsmarkts, der von Erwerbslosigkeit, prekären Arbeitsverträgen, Flexibilität, Uberisierung und Zeitarbeit geprägt ist. Die Jugend kann sich gerade so eine Wohnung leisten und ihren Lebensunterhalt sichern, und das zu einem Zeitpunkt im Leben, an dem die meisten eine Familie gründen wollen. In den Arbeiter*innenvierteln sind Jugendliche schon in jungen Jahren mit Polizeigewalt und Rassismus konfrontiert. Und auch die Coronapandemie hat ihre Spuren hinterlassen. Heute verschärfen zudem die Energiekrise und die weltweite Nahrungsmittelkrise die Lage für alle Bevölkerungsgruppen, einschließlich der Jugend. Die jüngeren Generationen in Westeuropa müssen sich der trüben Aussicht stellen, dass sie ein schlechteres Leben führen werden als ihre Eltern.
Auch die Klimakrise wird immer spürbarer. In den Ländern des Südens zeigen sich die dramatischen Folgen schon länger, zunehmend aber auch bei uns in Europa. Hitzewellen und Dürrerekorde folgen Jahr um Jahr aufeinander, und wir erleben Naturkatastrophen wie die großen Überschwemmungen in Belgien im Sommer 2021. In Klimafragen fahren wir gegen die Wand, und zwar schneller als die Wissenschaftler*innen es vorhergesagt hatten. Die globale Klimakrise prekarisiert die Lebensbedingungen von Milliarden Menschen und belastet die Zukunft der kommenden Generationen. Auf dieser objektiven Tatsache beruht das Klimabewusstsein der jungen Generationen. Und das führt zu wachsenden Mobilisierungen.
Die Ereignisse in der Ukraine konfrontieren die Jugend Europas mit der Realität eines Krieges. Einer Realität, die junge Leute auf anderen Kontinenten bereits kennen, die uns aber gleichzeitig vor Augen führt, inwiefern die US-amerikanische Konfrontation gegen China die Gefahr eines globalen Krieges ernsthaft erhöht, was vor allem die Jugend beunruhigt.
Alle diese Krisen betreffen natürlich die gesamte arbeitende Klasse, aber auch die Jugend im Speziellen. Man nehme zum Beispiel die Maßnahmen, die während der Covid-Pandemie beschlossen wurden. In den dunkelsten Momenten der Krise, die von Einschränkungen und Lockdowns geprägt waren, litten insbesondere junge Menschen: Schulen wurden geschlossen, ebenso wie Sportstätten, Treffpunkte und kulturelle Einrichtungen. Menschen sind soziale Wesen, und das gilt umso mehr für Jugendliche: Sie brauchen einander, um sich zu unterstützen und zu entwickeln. Doch wenn es darum ging, harte Gesundheitsmaßnahmen zu ergreifen, wurde die Jugend als Erstes geopfert, doch erst an letzter Stelle unterstützt. Diese Monate und Jahre der Krise hinterlassen langfristige Spuren.
2. Die Jugend beherrscht die neuen Kommunikationsmittel und hat eine ganz andere Verbindung mit der Welt. Dadurch internationalisieren sich die Kämpfe zunehmend.
Unsere Generation ist mit Smartphones, sozialen Medien und modernen Technologien aufgewachsen, wodurch sich ungeahnte neue Möglichkeiten für die Organisation und Kommunikation eröffnen. In einer Welt, in der sich die Technologien immer schneller entwickeln, wird auch die jüngere Generation immer wichtiger, denn wir müssen von ihr lernen – viel mehr noch als früher.
Der technologische Fortschritt führt auch zu einer internationalen Verbreitung sozialer Bewegungen, wie es die Klimastreiks oder Black-Lives-Matter-Bewegung in den letzten Jahren gezeigt haben, deren Einfluss weit über Landesgrenzen hinaus reichte.
3. Das Besondere an jungen Menschen ist, dass sie noch nicht fest im Leben angekommen sind, viele haben noch keine eigene Familie gegründet, sie haben das Leben noch vor sich, sie werden nicht (oder zumindest weniger) durch Routine, Gewohnheit oder den Ballast der Vergangenheit gebremst. Junge Menschen wagen es, das scheinbar Unabänderliche infrage zu stellen. Sie sind eine wichtige Quelle der Initiative, des Engagements und des Protests.
4. Die belgische Jugend wird immer diverser. In den belgischen Großstädten haben heutzutage drei Viertel der Neugeborenen Eltern mit ausländischer Herkunft. Diese Realität unterscheidet sich stark von der früherer Generationen, was dazu führt, dass junge Menschen sensibler für Diskriminierung und den Kampf gegen Rassismus sind.
Einige dieser Merkmale sind typisch für Jugendliche jeder Generation. Andere betreffen nur die Jugend des 21. Jahrhunderts. Sie bilden die Grundlage für das revolutionäre Potenzial der Jugend.
3. Der Kampf um die Jugend
Der Kapitalismus kann jungen Menschen keine Ideale mehr bieten. Früher hatte das Bürgertum noch eine gewisse Weltanschauung. Heute ist es nicht einmal mehr in der Lage, eine zusammenhängende gesellschaftliche Vision zu vermitteln. Die Wissenschaft wird in isolierte Bereiche zersplittert, die Reaktion auf Krisen verschleppt. Viele Jugendliche spüren das.
Die Besorgnis der Vertreter*innen des Establishments wächst sichtbar. Die Financial Times titelte kürzlich: „Millennials brechen mit der alten Regel und bewegen sich mit dem Alter nicht mehr nach rechts“ (30. Dezember 2022). Eine Studie mit Daten aus Großbritannien und den USA zeigt nämlich, dass sich die Millennials, jene Generation, die sich im Zuge der globalen Finanzkrise von 2008 politisiert hat, in Wirtschaftsfragen viel stärker links orientiert als frühere Generationen und zu einer Umverteilung von Reich zu Arm tendiert. Studien zeigen auch, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem trotz der täglichen Propaganda bei jungen Menschen immer mehr an Attraktivität verliert, während – selbst in den USA – das Wort „Sozialismus“ (wieder) populär wird.[1]
Vor diesem Hintergrund setzen die bürgerlichen Kräfte im Kampf um die Jugend auf Tempo. Sie verbreiten ihre Weltanschauung und kommerziellen Modelle, die sich auf Individualismus, Konsum, Konkurrenzkampf und Egoismus stützen. Sie erzwingen auf Bildungsebene eine enorme soziale Auslese, wodurch viel Talent verloren geht. Ihr Ziel ist es, möglichst viele junge Menschen für sich zu gewinnen und allen anderen Resignation, Mutlosigkeit und ein Gefühl der kollektiven Ohnmacht einzuimpfen. Denn die durch den Kapitalismus verursachten gesellschaftlichen Probleme führen zu viel Pessimismus unter jungen Menschen, die den Glauben an die Möglichkeit einer besseren Zukunft verlieren.
Dem steht, wie immer in Krisenzeiten, der Aufstieg politischer, aber auch religiöser rechtsextremer Kräfte gegenüber, die versuchen, die Jugend zu vereinnahmen und auf den Pessimismus und den Mangel an kollektiver Identität zu reagieren, indem sie eine Identität anbieten, die auf Rassismus, Nationalismus, Gewalt und Ablehnung des Andersartigen beruht – eine Gesellschaftsvision, die Klassenwidersprüche verschleiert.
Wenn wir den Jugendlichen keine soziale Alternative bieten, werden sie sich für Individualismus, Nihilismus oder die extreme Rechte entscheiden. Die Herausforderung für die fortschrittlichen Kräfte besteht darin, diesen Kampf zu führen und zu gewinnen. Denn dafür bietet sich eine Gelegenheit und eine Offenheit: Enorm viele junge Menschen sind zurzeit auf der Suche nach einer emanzipatorischen Weltanschauung. Einer Weltanschauung, in der kollektive Rechte und Dienstleistungen garantiert werden, damit alle wirklich sie selbst sein und ihre Talente entfalten können. Eine Vision, die sich gegen jegliche Diskriminierung wendet, sei es aufgrund von Rasse, Geschlecht, sexueller Orientierung oder aus anderen Gründen. Eine Vision, die auf einem kollektiven „Wir“ aufbaut, einem vereinigenden „Wir“, einem „Wir“ der Wohlstandsmacher*innen, einem „Wir“ der arbeitenden Klasse.
Die Wirtschaftskrise. Die Klimakrise. Die imperialistischen Kriege. Das alles sind Folgen des kapitalistischen Systems, und innerhalb dieses Systems gibt es keine dauerhaften Lösungen für diese Probleme. Es liegt an uns, die Jugend für diese Erkenntnis zu gewinnen. Es liegt an uns, die Klimafrage zu einer Klassenfrage zu machen und den Zusammenhang mit dem aktuellen Wirtschaftssystem zu erklären. Eine Umfrage, die wir unter Jugendlichen in Belgien durchgeführt haben, zeigt, dass das Klima – neben der Rassismusfrage – die Hauptsorge der belgischen Jugendlichen ist und dass sie die großen multinationalen Konzerne für die Hauptverantwortlichen halten. Sie sind offen für eine antikapitalistische Analyse. Es ist unsere Aufgabe, dieses Potenzial zu nutzen und der Jugend eine emanzipatorische und befreiende Perspektive zu bieten.
Die erste Voraussetzung dafür ist jedoch das Bewusstsein um diese Tatsache. Auf unserem letzten Kongress haben wir auf das mangelnde Bewusstsein und die fehlende Einheit in unserer Partei in diesen Fragen hingewiesen. Das wollen wir in den kommenden Jahren verbessern.
Denn in einer sich wandelnden Welt brauchen wir als Partei die Energie der Jugend, ihr Engagement, ihre Entschlossenheit und ihre Agilität mit neuen Technologien.
Unsere Partei braucht die jungen Menschen, und die jungen Menschen brauchen eine Partei, die ihren Wunsch nach Veränderung lenken und vertiefen kann, ihre Energie fördert und sie mit der breiten Emanzipationsbewegung der Arbeiter*innenklasse zusammenbringt.
4. Verjüngung – zur Partei der Jugend werden
Da erfahrungsgemäß junge Menschen andere junge Menschen anziehen, brauchen wir eine Partei, die an sich jung ist, um junge Menschen zu erreichen. Wir haben auf dem letzten Parteitag die Mechanismen, die eine Verjüngung bremsen, konkret diskutiert und eine Reihe von Maßnahmen ergriffen:
- Quoten für Jugendliche unter 30 Jahren im Nationalrat und in den Provinzräten der Partei (mindestens 10 Prozent),
- Einsetzung einer Jugendkommission des Nationalrats,
- Übertragung von Entscheidungsverantwortung an junge Menschen innerhalb der Partei und Förderung junger Sprecher*innen,
- Verjüngung unserer Kommunikation,
- Verjüngung unserer Basisgruppen und vorübergehende Einrichtung von Basisgruppen für jüngere Genoss*innen
- und Investitionen in die Unterstützung unserer drei Jugendorganisationen Pioniere (für Kinder), RedFox (für Schüler*innen) und Comac (für Studierende).
5. RedFox – Herausforderung des Aufbaus einer breiten Jugendbewegung
Zum letzten Punkt: Jugendorganisationen spielen eine Schlüsselrolle in der Mobilisierung und Organisation der Jugend.
Seit 2015 haben wir die Basis geschaffen, um eine breite Bewegung junger Schüler*innen ins Leben zu rufen: RedFox. Dieses Beispiel möchte ich ausführlicher erläutern, um zu zeigen, welches Potenzial die Jugend hat.
Da es seit Ende der 1990er Jahre keine echte Jugendbewegung mehr gegeben hat, die junge Schüler*innen mobilisiert hat, haben wir 2015 beschlossen, RedFox ins Leben zu rufen.
Warum ist RedFox als Schüler*innenbewegung so wichtig?
- Schüler*innen machen den größten Anteil der Jugendlichen aus und schließen die Arbeiter*innenjugend ein. Unter Studierenden hat bereits eine rigide soziale Auswahl stattgefunden, die einen erheblichen Teil der Kinder aus der Arbeiter*innenklasse ausschließt.
- Von frühester Kindheit an wird jungen Menschen die kapitalistische Weltsicht aufgezwungen, also ist es auch wichtig, von frühester Kindheit an eine Alternative anzubieten. Zumal man das, was man als junger Mensch lernt, für das ganze Leben lernt.
RedFox soll Jugendliche zwischen 12 und 21 Jahren, die noch die Sekundarstufe besuchen, sensibilisieren, mobilisieren und organisieren. Die Massenorganisation hat ihre eigenen Strukturen, eigene Organisationsprinzipien, ihre eigene Dynamik und ihre eigenen Kampagnen. Selbstverständlich ist RedFox als Jugendorganisation mit der Partei verbunden, aber die Mitglieder von RedFox sind nur Mitglied der Jugendorganisation, nicht der Partei selbst. Der Schwerpunkt von RedFox liegt auf Aktionen und Bildung.
Wir haben RedFox ausgehend von konkreten Aktionen und Initiativen aufgebaut, sowohl vor Ort als auch online:
DiverCity ist ein Festival, das jedes Jahr von und für Jugendliche in einem beliebten Viertel in einer der größten Städte des Landes organisiert wird. Das Festival war eine der Initiativen zur Gründung von RedFox im Jahr 2015. Seitdem findet es jedes Jahr im Mai statt, als selbstorganisierte Initiative der Jugendlichen, die Vielfalt und Antirassismus positiv und über kulturelle Ausdrucksformen verbreiten soll. 2022 nahmen fast 6000 junge Menschen daran teil.
Die historische Mobilisierung von Schüler*innen für den Klimaschutz im Jahr 2019 war ebenfalls ein wichtiger Moment im Aufbau der Jugendbewegung. Ab Januar 2019 führten Tausende junge Menschen in Belgien wochenlange Aktionen durch und streikten für das Klima. Auf dem Höhepunkt der Bewegung, am 24. Januar 2019, marschierten 35.000 Schüler*innen durch die Straßen von Brüssel. Mehrere RedFox-Jugendliche nahmen den Kampf an ihren Schulen und in ihren Städten selbst in die Hand. Sie gründeten Komitees, traten an die Öffentlichkeit, gaben Schulungen und organisierten Streiks. Sie sammelten tausende Unterschriften, um die öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos zu machen. Diese Schule des Kampfes hat eine ganze Generation junger Aktivist*innen in Belgien geprägt und markiert einen qualitativen Sprung in der noch jungen Geschichte von RedFox.
Als während der Coronakrise viele Jugendliche darunter litten, dass sie zu Hause eingesperrt und isoliert waren, rief RedFox die Initiative „Jung und solidarisch“ ins Leben, die hunderte Jugendliche für konkrete Solidaritätsaktionen gewinnen konnte. Die Jugendlichen halfen in Pflegeheimen oder medizinischen Einrichtungen, verteilten Mahlzeiten an Obdachlose und Migrant*innen oder sammelten Laptops für bedürftige Jugendliche.
RedFox organisierte auch andere Aktionen und Kampagnen, etwa in Solidarität mit Palästina nach einem erneuten israelischen Angriff auf die Palästinenser*innen im Mai 2021 oder für die Rechte von Schüler*innen gegen diskriminierende Schulordnungen.
Im letzten Jahr wurde eine große Kampagne gestartet, die sich mit dem Internationalen Tag gegen Rassismus am 21. März beschäftigt. Ziel ist es, über einige Jahre hinweg eine große Jugendbewegung mit Streiks und Aktionen an mehreren hundert Schulen im ganzen Land ins Leben zu rufen, die unter Jugendlichen eine breite Bewegung gegen Rassismus auslösen soll, die die extreme Rechte in die Defensive drängt. Durch diese Art von Kampagnen können neue Aktivist*innen gewonnen werden. Und junge Menschen können erste Erfahrungen mit Aktivismus, politischem Kampf, Mobilisierung, Organisation usw. sammeln.
Dafür hat RedFox unter anderem ein „Action-Pack“ entwickelt: eine Broschüre, die verschiedene Themen vertieft und sie den Jugendlichen nahebringt (durch Comics, kulturelle Referenzen oder Interaktionsmöglichkeiten) und sie durch Tipps und Beispiele, was in der eigenen Schule oder in der eigenen Klassenstufe getan werden kann, zum Handeln anregt. Gemeinsam mit einem Organisationsplan zur Aktivierung und Betreuung der Mitglieder hat dieses Action-Pack bereits viele Jugendliche motiviert, Aktionen an über 100 Schulen im ganzen Land mit tausenden anderen Beteiligten zu veranstalten, die von Mitgliedern, aber auch von neuen Kontakten organisiert wurden. Das Action-Pack wurde an etwa 3500 Personen verschickt, davon 500 Nichtmitglieder. Die Jugendlichen haben die Aktionen selbst organisiert, für die meisten war es ihr erstes Mal. Manchmal waren es kleine symbolische Aktionen, in einigen Fällen auch Sit-ins und kollektive Aktionen. In einer Schule hielt ein Jugendlicher auf der Grundlage der Broschüre einen Vortrag über Rassismus. Die Kampagne ist eine bahnbrechende Erfahrung mit Organisation und Sensibilisierung. Und ein Modell, das wir in den kommenden Monaten und Jahren weiter ausbauen wollen.
RedFox ist auch im Internet aktiv: Die Kommunikation findet online statt, soziale Netzwerke werden bespielt. Das Internet hat enormes Potenzial, um junge Menschen zu erreichen, mit ihnen zu interagieren, sie zu organisieren und zu aktivieren. So hat RedFox einen Online-Shop eingerichtet, in dem Jugendliche kostenlos Sticker und Poster zu Kampagnen und Themen, die sie bewegen, bestellen können. Bislang haben schon über 20.000 Jugendliche Aufkleber und Materialien von RedFox gegen Sexismus, Rassismus oder als Zeichen der Solidarisierung mit den Palästinenser*innen bestellt, insgesamt mehr als 1,5 Millionen Aufkleber. Diese RedFox-Aufkleber wurden von unseren Mitgliedern, aber auch vielen jungen Nichtmitgliedern verteilt und sind heute im ganzen Land zu finden. Die dazugehörigen Kampagnen und Aktionen finden sowohl im realen als auch im digitalen Raum statt, wodurch leicht und zielgerichtet Menschen für diese Anliegen gewonnen werden können. Wie wir die Jugendlichen, die das Action-Pack zu Rassismus bestellt haben, erreicht haben, erreichen wir so noch weitere Jugendliche, denen wir eine Mitgliedschaft bei RedFox und dadurch eine Möglichkeit zum Aktivismus anbieten können.
Bilder und Videos von RedFox in sozialen Netzwerken wie Instagram und TikTok erreichen tausende Jugendliche. Einige TikTok-Videos von RedFox-Jugendlichen wurden millionenfach aufgerufen. Nachdem wir in einem TikTok-Video über Rassismus dazu aufforderten, RedFox-Sticker zu ordern, erreichten uns an nur einem Wochenende mehr als 1000 Bestellungen. Wir haben alle angeschrieben, die Sticker bestellt haben, und eine ganze Reihe dieser Jugendlichen ist heute Mitglied bei RedFox. Der Online-Aktivismus geht somit Hand in Hand mit tatsächlicher Mobilisierung und Engagement. Die Digitalisierung bietet enorme Möglichkeiten, mit denen wir die Jugendlichen erreichen können, die wir nicht der extremen Rechten überlassen dürfen.
RedFox hat gemeinsam mit Jugendlichen eine eigene visuelle Identität für seinen Auftritt in sozialen Medien entwickelt, die auch für Offline-Materialien wie Aufkleber oder Flyer verwendet wird. Auf Grundlage dieser visuellen Identität entwickeln wir auch Merchandising. Die ersten Ergebnisse belegen das große Potenzial des progressiven Merchandisings: Es gibt eine starke Nachfrage nach Pullovern, T-Shirts und Mützen mit progressiven Slogans mit einem Augenzwinkern; während der Covid-Krise waren auch Masken sehr beliebt.
Linke Jugendliche wollen ihre Identität und ihre Ideen auch visuell zum Ausdruck bringen. Das Verbreiten ihrer Symbole und progressiver Botschaften ist eine Form des Aktivismus. Junge Menschen suchen nach Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Identität und ihre Werte. Ihre Kleidung ist eine Positionierung. Deshalb ist es so wichtig, dieses Angebot für sie bereitzuhalten.
Zudem veranstaltet RedFox auch feste Aktivitäten, insbesondere ein Sommercamp und die BoostDayz. Das Camp findet eine Woche lang im Sommer statt. Etwa 200 Jugendliche aus dem ganzen Land, vor allem Mitglieder der Jugendbewegung, kommen hier zusammen, um sich kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen, für Schulungen oder zur Planung von Kampagnen.
Die BoostDayzs sind eine Nachhilfeinitiative für Jugendliche, die kurz vor den Prüfungen stehen. Mit den RedFox-Sektionen organisieren wir kollektive Räume, in denen Jugendliche lernen können und von erwachsenen Ehrenamtlichen Nachhilfe erhalten können. Das alles ist kostenlos und niedrigschwellig. Es handelt sich um eine Initiative mit einem konkreten Hilfsangebot, die Solidarität erzeugt und gleichzeitig ein unterstützendes Netzwerk von Erwachsene rund um RedFox organisiert – vor allem aus Parteimitgliedern.
Vision und Prinzipien für RedFox
Alle diese Punkte vermitteln einen Eindruck von den Erfahrungen, die wir mit unserer Jugendbewegung RedFox machen. Und sie zeigen die Kernideen hinter RedFox:
RedFox ist eine Jugendbewegung, die sich mit Jugendlichen als Jugendlichen in all ihrer (auch thematischen) Diversität auseinandersetzt. Wir wollen die Jugendlichen nicht auf ihre Eigenschaft als Schüler*innen reduzieren. Sie sind Schüler*innen, Sportler*innen, Gamer*innen, Verliebte, Bastler*innen, Skater*innen, TikToker*innen, Musiker*innen, Partygänger*innen, Spaßvögel, Freund*innen, Freiwillige oder selbst Tutor*innen … Sie sind einfach jung.
Wir wollen alle Eigenschaften, ihr ganzes Potenzial, all ihre Talente, ihren Aktivismus und ihr Engagement fördern.
Damit die Jugendlichen diese Bewegung selbst tragen können, müssen wir auch ihre politische Ausrichtung entsprechend gestalten: Sowohl inhaltlich (wissen, was die Jugendlichen bewegt, was sie interessiert) als auch formal (kreative und vielfältige Wege aufzeigen, sich zu informieren und zu handeln). Junge Menschen sind an vielen Themen interessiert, stellen viele Fragen und wollen viele verschiedene Dinge tun. Unsere Jugendbewegung muss auf diese Bedürfnisse reagieren, indem sie verschiedene Themen (Rassismus, Ungleichheit, Klima, Sexismus, Imperialismus …) und Kampagnentypen bedient. Die Jugend ist divers und interessiert sich für diverse gesellschaftliche Probleme. Unsere Jugendbewegung muss diese Diversität widerspiegeln. Eine jugendgerechte Politik zu machen, ist entscheidend, damit die jungen Menschen die Jugendbewegung selbst weiterbringen, andere Jugendliche mobilisieren und die Bewegung wächst.
Die Jugendlichen haben kulturelle, sportliche, emotionale und soziale Bedürfnisse, die wir berücksichtigen und ergänzen müssen. Politik kann auch durch Kultur, Musik, Theater, Video oder Sport ausgedrückt werden. So ist RedFox zwar eine Jugendbewegung, aber auch ein Ort der Begegnung, des Spaßes und der Freizeitgestaltung für junge Menschen.
Wir entwickeln Kampagnen, Projekte und Aktionen, die den Wunsch nach dynamischen, kollektiven Aktionen für den Wandel entfachen. Dazu gehören „gebrauchsfertige“ Materialien für Ortsverbände mit möglichen Aktionen und Bildungsangeboten sowie einem Jahresplan mit einer oder mehreren Kampagnen, die einen politischen und organisatorischen Rahmen für eine bestimmte Zeitspanne bieten.
Die Rolle der sozialen Medien ist entscheidend, denn hier können junge Menschen sensibilisiert, organisiert und mobilisiert werden. Die Formen des Aktivismus in den sozialen Medien ergänzen die sozialen Bewegungen auf der Straße.
Für Jugendliche ist Gruppendynamik essenziell; das Gefühl, zu einer Gruppe zu gehören, akzeptiert zu werden, wie man ist, neue Bekanntschaften zu machen und Freundschaften zu schließen. Deshalb achten wir bei RedFox besonders auf die Atmosphäre und die Gruppendynamik, auf Kennenlernspiele und darauf, dass wir uns die Zeit nehmen, mehr über unsere Mitglieder zu erfahren. Die Zuständigen bemühen sich, einen Raum zu schaffen, in dem alle einen Platz haben, sich ausdrücken und an gemeinsamen Projekten teilnehmen können.
Wir betreiben maßgeschneiderte politische Bildung. Wir entscheiden uns für einen jungen, pädagogischen Ansatz, der junge Menschen zum Lernen und Entdecken anregt. Wir bieten ihnen Schulungen zu Themen an, die sie betreffen, und bringen ihnen die marxistischen Grundlagen näher. RedFox nutzt die Erkenntnisse der marxistischen Pädagogik, um junge Menschen politisch zu allen Themen zu schulen, die sie berühren und bewegen.
Insbesondere der Fokus auf die gemeinsamen Werte ist für RedFox wichtig: Werte wie Solidarität, Respekt vor anderen, Gemeinschaftssinn, Selbstvertrauen, Gleichheit, Internationalismus, Verantwortungsbewusstsein oder Respekt vor der Arbeit. Die Jugendlichen befinden sich in einer Entwicklungsphase und sind auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und Weltanschauung. Und die Werte, die sie erlernen, werden sie ihr ganzes Leben lang behalten. Bei jedem Kontakt mit Jugendlichen fördern wir aktiv diese Werte, vor allem in unseren praktischen Aktionen.
RedFox ist eine Organisation von und für Jugendliche mit verschiedenen internen Ebenen: Es gibt Mitglieder, Betreuer*innen und Teamer*innen. Die Betreuer*innen sind Jugendliche ab 16 Jahren, die sich engagieren und Verantwortung für RedFox übernehmen – sie spielen eine wichtige Rolle. Das Ziel hiervon ist, den Jugendlichen zu vertrauen und ihnen Verantwortung zu geben. Die Teamer*innen sind junge Erwachsene über 18 Jahre, die die Ortsgruppenleitung und führende Positionen auf nationaler Ebene übernehmen.
Besondere Aufmerksamkeit gilt den Jugendlichen der Arbeiter*innenklasse. RedFox richtet sich an Jugendliche mit unterschiedlichem Hintergrund und aus verschiedenen sozialen Schichten. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Arbeiter*innenjugend anzusprechen. Wir müssen uns sowohl an Schüler*innen der allgemeinbildenden Sekundarschule als auch an Schüler*innen der Fach- und Berufsschulen wenden. In dieser Jugend liegt ein Reichtum, ein Wissen und ein Know-how, die wir einfangen wollen. Diese Jugendlichen werden im Schulsystem häufig in den technischen und berufsbezogenen Bereich abgeschoben. Sie werden abgewertet und klein gemacht. Man redet ihnen ein, dass sie nichts wert seien, und doch gehören diese Jugendlichen zu den „Working Class Heroes“ der Welt. Sie sind die Arbeiter*innen von morgen, diejenigen, die die Gesellschaft am Laufen halten, und diejenigen, die den Wohlstand produzieren. Sie befinden sich im Zentrum der Technik und des Produktionswissens. Und um unsere Gesellschaft von morgen, um den Sozialismus aufzubauen, werden wir diese Jugend und ihre Fähigkeiten brauchen.
Fazit – die Jugend ist die Zukunft
Ich hoffe, dass ich mit diesen Überlegungen und dem konkreten Beispiel einen Eindruck davon vermitteln konnte, wo wir in Belgien stehen, welchen Weg wir zurückgelegt haben und welche Herausforderungen noch vor uns liegen
[1] https://news.gallup.com/poll/268766/socialism-popular-capitalism-among-young-adults.aspx