In Spanien, jeden "Montag in der Sonne" einer Kampf um eine gerechte Rente
Frontalangriffe auf die öffentlichen Rentensysteme sind in vielen EU-Ländern Realität. Der Kampf der Rentner, der im Jahre 2011 in Spanien begonnen hat, wird immer noch fortgesetzt. Jeden Montag gehen spanische Rentner auf die Straße. Sie zelebrieren den "Montag in der Sonne", um angemessene Renten einzufordern. ( (Foto: Versammlung in Baracaldo, Bilbao.)
Sie tun dies seit Jahren, und gerade zu Beginn des Jahres 2018 hat ihre Bewegung an Dynamik gewonnen. Jeden Montag treffen sich spanische Rentner in vielen Städten und Dörfern Spaniens. Sie fordern das Recht auf eine menschenwürdige Rente, die zum Leben ausreicht. In Spanien erhalten mehr als 5 Millionen Rentner eine Rente von weniger als 700 Euro. Der Erhalt der Mindestrente in Spanien bedeutet, dass man 599 Euro pro Monat zu überleben hat. Die Durchschnittsrente beträgt derzeit 970 Euro. Mit so einem Betrag muss man jeden Tag rechnen, um zu wissen, wie man die Miete, den Strom, das Wasser oder die Lebensmittel bezahlen kann. Es ist also nicht überraschend, dass die spanischen Rentner auf die Straße gehen. Von Bilbao bis Sevilla über Madrid oder Segovia findet man sie „montags in der Sonne", auf Versammlungen von mehreren hundert Menschen vor den lokalen und regionalen Regierungen.
Der Anfang
Alles begann im Jahr 2011, als die sozialistische Regierung von José María Rodríguez Zapatero im härtesten Moment der Krise eine Arbeitsreform einführte, die nicht nur die schrittweise Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre vorsah, sondern auch die Verpflichtung, mindestens 25 Jahre (vorher 15) Beiträge gezahlt zu haben, um überhaupt einen Zugang zur Umlage finanzierten Rente zu haben. Da dieser Regierung diese Sanktionierung der Arbeitskräfte nicht ausreichte, hat sie mit der Einführung des "Nachhaltigkeitsfaktors" einen weiteren Schritt unternommen, der für die Rentner noch schmerzhafter ist, und der die Abhängigkeit der Rentenhöhe von externen Faktoren bedeutet.
Ein Jahr später, mit der neuen rechten Volkspartei-Regierung, wird der Angriff auf die Renten weiter verstärkt. Erstens wird beschlossen, dass die Renten nicht mehr an die Lebenshaltungskosten gekoppelt sind, sondern auf der Grundlage eines festen Prozentsatzes von 0,25 % berechnet werden. Zweitens hat die Regierung von Mariano Rajoy zur Weiterentwicklung des "Nachhaltigkeitsfaktors" die Höhe der Rente an die Lebenserwartung der Arbeiter und Arbeiterinnen gekoppelt.
In diesem Jahr begann der Rentenkampf, und im ganzen Land fanden große Mobilisierungen statt. Seitdem werden die Renten mit Händen und Füßen verteidigt. Zwei Faktoren verstärken die Mobilisierung. Der erste Faktor ist die hohe Anzahl der Rentner in Spanien, die derzeit bei etwa 8,5 Millionen Menschen liegt. Der zweite Faktor ist, dass seit der Krise sowie aufgrund des hohen Anteils an Arbeitslosigkeit (derzeit 14,1 %, mit einer Jugendarbeitslosenquote von 32,8 %) und der prekären Verhältnisse viele spanische Familien die Renteneinkommen zum Überleben brauchen.
Die letzte Krise
Anfang 2018, nach einigen sehr schwierigen Jahren für die spanischen Beschäftigten, die bereits sämtliche Rückschläge der Krise mitsamt ihrer Austeritäts-Maßnahmen aushalten mussten, erhielten die Rentner zum fünften Mal in Folge ein Schreiben der Sozialversicherung, in dem sie darüber informiert wurden, dass ihre Renten lediglich um 0,25 % steigen werden. Dies war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, denn seitdem kennt die Rentnerbewegung keinen Waffenstillstand mehr. Unter dem Motto "gobierne quien gobierne, las pensiones se defienden" ("Wer auch immer an der Regierung ist, die Renten werden verteidigt") sind die Rentner auf der Straße. Auf Grund dieses Drucks haben sie Siege errungen. Die Regierung hat sich bereit erklärt, die Renten für die nächsten zwei Jahre an den Verbraucherpreisindex zu koppeln und die Almosen in Höhe von 0,25 % zu vergessen.
Erst vor einigen Monaten haben die verschiedenen lokalen Rentnerorganisationen, die unter der Schirmherrschaft der "Coordinadora Estatal en Defensa del Sistema Público de Pensiones" organisiert sind, sich auf spektakuläre Weise Gehör verschafft. Sie gingen zu Fuß und von verschiedenen Stellen der iberischen Halbinsel nach Madrid, wobei sie manchmal mehr als 700 km zurücklegten. Am 16. Oktober gingen tausende von Rentnern auf die Straße, um vor dem Kongress der Abgeordneten und der staatlichen Behörden zu demonstrieren. Sie forderten eine Mindestrente von 1080 Euro und die Abschaffung des "Nachhaltigkeitsfaktors". Es gelang ihnen, die Frage der angemessenen Renten in den Verhandlungen zur Regierungsbildung zwischen der Sozialistischen Partei (PSOE) und Unidas Podemos auf die Tagesordnung zu setzen.
Der Kampf geht weiter
Aber der Kampf hört jedoch nicht auf. Durch die Anwendung des "Nachhaltigkeitsfaktors" erhalten Rentner, die jetzt in Rente gehen, ab Januar 2020 monatlich 22 Euro weniger. Hinzu kommt, dass die Indexierung der Renten, wie in Belgien, nicht den wirklichen Kosten für den Lebensunterhalt entspricht. Der Verbraucherpreisindex (CPI) stellt nicht die tatsächlichen Lebenshaltungskosten in Spanien dar. Daher erklärt das Netzwerk der Rentner, dass "es der tatsächliche Verbraucherpreisindex ist, der angewandt werden sollte, wobei Faktoren wie die Kosten für den Strom und die Heizung in der Berechnung berücksichtigt werden sollten".
Die nach der europäischen Sozialcharta berechnete Mindestrente ist nicht die einzige Grundforderung der spanischen Rentner. Sie fordern auch die Zurücksetzung des Rentenbeginns auf 65 Jahre. Sie wollen arbeiten, um zu leben und nicht bei der Arbeit sterben. Sie verteidigen vor allem den Schutz des öffentlichen Rentensystems. Sie verteidigen die Rente als ein wirkliches Recht, als ein Recht auf Würde, und sie sind entschlossen, sich weiterhin jeden Montag bei Sonne, Regen oder Schnee zu versammeln, um ihr Anliegen erfolgreich durchzusetzen.